FCAST / NCAST, Gewitter über der Nordadria am 25.07.2015
Sehr spannende Lage zwischen Venedig und der kroatischen Küste
Heute Samstag 25.07.2015 zeichnet sich im Bereich der Nordadria eine beachtenswerte Wetterlage ab. Beim Durchsehen der Karten, kurz vor Mittag, ist sie mir aufgefallen. Danach habe ich ein Chasing ins Auge gefasst, mit drei Sturmjägern telefoniert und die Szenarien durchgerechnet. Das spontan geplante Chasing musste ich aber am Ende (ca. 15 00 Uhr) absagen, denn….
a.) …es ist in vielen deutschen Bundesländern Ferienbeginn. Beim Gotthard: 15 km Stau; auf der San Bernadino-Route staut sich der Verkehr bereits bei Chur; Chiasso rd. 1 Stunde Wartezeit an der Grenze und auch die Brenner-Variante sieht nach den Internetangaben und Webcam-Bildern nicht besonders gut aus.
b.) …ein Chaser kann gar nicht teilnehmen, ein anderer müsste morgen um 17 00 Uhr wieder zurück sein. Roland M. wäre dabei gewesen, hatte aber Bedenken (siehe c.).
c.) …das Risiko durch das enorm kurze Zeitfenster zu spät zu kommen, zumindest knapp dran zu sein ist gross, da die Auslöse auch früher, als aus den Karten herauszulesen ist, stattfinden kann.
d.) …Estofex für diese Region „nur“ die Gefahrenstufe (Lvl.) 1 herausgegeben hat, was einer geringerer Einschätzung entspricht, als aus meiner Interpretation der Daten, was ein kleiner Unsicherheitsfaktor ist.
e.) …nachts muss man noch mehr Glück haben wie tagsüber, wenn man Wasserhosen, oder Tornados sehen möchte. Zudem besteht die Gefahr, dass ein Teil der Gewitter offshore stattfinden, also von der Küste aus nur sehr weit weg beobachtet werden können.
Trotz diesen hier aufgezählten 5 Gründen, möchte ich ein Forecast erstellen, um meine Interpretation mit den eingetretenen Ereignissen vergleichen zu können, vielleicht auch mit der Gewissheit, dass diese Region, speziell die kroatische Küste um Istrien und Rijeka, in eine Gefahrenstufe (Lvl.) 2 hätte eingeteilt werden müssen. Ein Lerneffekt ist auf jeden Fall dabei, auch wenn sich die Lage weniger „dramatisch“ entwickelt.
Aus den Analysekarten des 500hPa-Bodendruck-Parameters lässt sich die Vorgeschichte gut herauslesen. Sie beginnt mit der Bildung eines Kurzwellentroges über dem Nordatlantik im Verlauf des Donnerstags (23.07.2015). Vor der Trogachse, leicht nach Osten versetzt, wird ein Randtief (Bodentief) zwischen zwei Wellen eingebunden und gelangt sehr schnell in Richtung europäisches Festland.
24 Stunden später, am Freitag, 24.07.2015, ist die Austrogung über Westeuropa deutlich zu sehen, worin immer noch das erwähnte Tief eingebettet ist, welches inzwischen den Namen „Zeljko“ bekam und mit stetig gefallenem Kerndruck die Warnlage verschärfte. Das Sturmtief war am Freitag auf ONO-Kurs und bei dessen Landgang um 12z in der Bretagne war auch schon andeutungsweise erkennbar, wie die daran gekoppelte Kaltfront verläuft.
Die Schweiz lag zu diesem Zeitpunkt auf der Vorderseite des Troges, was die Meteorologen und Sturmjäger mit Spannung verfolgten, denn trotz dem dynamischen Forcing der nahenden Druckwellen, welche die Bildung von Gewittern unterstützen, war die Interpretation der Wetterdaten nicht einfach, zumal das Tief über Italien als Player sich in die Szene einmischte (s. Blogbeitrag zum 24.07.15).
Am Sturmtief hing eine Kaltfront, die nach Osten vorrückte (siehe Isothermenscharung).
Ein durchschwenkender Trog über der nördlichen Hälfte von Europa, ein von Westen hereindrückender Höhenkeil quer über die Alpen und in Norditalien eine sich bildende Leezyklogenese; fast ein Klasssiker. Die Kaltfront war aber spät dran und so sorgte präfrontal die Wellendynamik und die Bodenwindkonvergenzen für starke Hebungszonen, wodurch unter Mitwirkung weiterer Antriebsfaktoren zum Teil starke Gewitter ausgelöst wurden.
Die Amplitude des Troges hatte sich in der Zwischenzeit verstärkt, was im Bereich der Achse auch zu einem steileren, vertikalen Druckgradienten führte und letztlich eine sog. „cut-off“-Situation des Höhentiefs vorbereitete.
Das Sturmtief „Zeljko“ erreichte am Samstag, dem 25.07.2015, um 12z, die Nordküste Deutschlands, während sich das Höhentief zum erwähnten „cut-off-low“ wandelte und die Kaltfront bereits den Alpenkamm in Richtung Südosten überquerte.
Die Analysekarten von GFS decken sich beinahe mit den Vorhersagekarten (s. Theta-E-Werte, GFS 06z-Lauf, vom 25.07.2015, unten). Das Lee-, oder Genuatief war noch etwas anders modelliert und mit einem Kerndruck von 1007hPa angegeben.
Eine präfrontale Auslöse in Ligurien bei Savona liess an der Mittelmeerküste Gewitter mit einer extrem hohen Blitzrate entstehen, wie die beiden Videos zeigen:
Gewitter, Savona, ca. 04 00 Uhr, am 25.07.2015_Teil 01
Gewitter, Savona, ca. 04 00 Uhr, am 25.07.2015, Teil 02
Tempesta die Lampi su Savona – Fulmine
Am frühen Nachmittag („…prima pomeriggio…“), ohne genaue Zeitangabe, waren offenbar die Bedingungen optimal für Wasserhosen, obwohl dieses Bild (unten) nicht ein eindeutig feststellbarer, authentischer Beleg dafür ist, da es sich auch um ein Archivbild handeln könnte. Im Artikel wird von einer „Tromba d’aria“ in Pinarella gesprochen, von einer Wasserhose bei Cervia (Ravenna).
Ravenna-WebTV: Bildquelle und Kurzbericht
Es könnte aber auch schlicht ein Wet-Downburst gewesen sein, wie das folgende Bild zeigt:
Zu diesem Zeitpunkt war ich noch zuhause, studierte die Wetterkarten und überlegte mir, ob sich eine Chasingtour nach Triest, bzw. noch etwas weiter südlich, nach Rijeka in Kroatien lohnen würde. Ich sah mir zunächst den 00z-Termin (vt) bei WRF-ARW und GFS (Wetter 3 und Lightning Wizard) an. Da ich nicht viel Zeit für ein ausführliches Forecast besass, wählte ich das abgekürzte Verfahren, mit dem Ziel grob die Parameter zu konsultieren, welche die Lage gut darstellen konnten. Von meiner Kroatientour im Jahre 2011 wusste ich noch viel, wie zum Beispiel, dass in der Bucht vor Rijeka ein regelrechter Blitz-Hotspot existiert, was auch Einheimische bestätigen. Die Orografie beim adriatischen Küstenstreifen, die durch die Halbinsel Istrien und die vorgelagerten, kleineren Inseln Krk und Cres spezielle Bedingungen schafft, beansprucht bei Gewittern, bei der Bora und bei der Wasserhosengenese eine zentrale Rolle. Zudem wird CAPE entlang der Küstenregionen kaum verbraucht und regeneriert sich ständig. Das habe ich mit meiner Chasingcrew in Italien 2013 entlang der „Cinque terre“ gelernt. Bei WRF-ARW wurden sowohl um 21z, wie auch um 00z (26.07.2015) veritable 4’000 J/kg von Triest bis in die Gegend von Split gerechnet. In einer solchen Lage muss man sich nicht um CIN-Werte kümmern.
In der Bucht vor Rijeka, zwischen den Inseln Krk und Cres, rechnete Janeks WRF-ARW um 00z, am 26.07.2015, eine Gewitterzelle mit maximaler Reflektivität von bis zu 69 dBZ, was Extremwerten entspricht!
Die Updraft-Geschwindigkeit ist immerhin zwischen 17 m/s und 23 m/s (rot = zyklonal).
Hierzu passt das Vorticity-Panel, worauf man sehr schön die Verwirbelungen in der Bucht von Rijeka, die Dynamik im Zentrum des Höhentiefs im Norden und den Effekt beim Überströmen der Kaltluft auf 700 hPa über den Alpenkamm nach Südosten betrachten kann.
Von oben bekam die ganze Gewitterlage an der Ostadria noch Unterstützung, denn der Upper-level-jet-streak lag durch die Position des Langwellentroges äusserst günstig und erzeugte weiträumig im Bereich von Rijeka und den Inseln Krk und Cres starke Höhendivergenzfelder, die konvektive Entwicklungen in der sog. „Right entrance“-Zone massiv unterstützen.
GFS (Global Forecast System) sah das Szenario ähnlich. Der Superzellenparameter schlug mit 5 Stufen an und deckte das Gebiet von Venedig über Udine und Triest bis Zadar an der kroatischen Küste ab.
Die Storm-relative Helicity-Werte sind nicht besonders hoch, aber genügend, um Tornados in der Stärke F1-F2 zu erzeugen, weshalb an der italienischen Nordküste und an der kroatischen Adriaküste bis zu vier Stufen (moderate risk) ausgegeben werden.
Die ersten Zellen entstanden nördlich von Udine im Friaul, wo sie sich danach langsam gegen Süden vorarbeiteten.
Aus den Veraflex-Analysedaten sieht man die um 00z, am 26.07.2015, an der Südspitze Istriens entstehende Bodenkonvergenz (10-meter-Wind), die sich entlang der Küste bis nach Zadar erstreckt. Entlang dieser Linie verläuft die Zugbahn der Gewitterzellen, die etwa um 02 00 Uhr MESZ morgens (26.07.2015) die Bucht von Rijeka passierten.
Der Ferienverkehr, mit den unbestimmbaren Wartezeiten am Gotthard, am San Bernadino und am Brenner, hat das Chasing hauptsächlich verhindert. In etwa 7-7 1/2 Stunden wären wir in Triest gewesen und in rd. 9 1/2 Std. in Rijeka, bzw. Krk. Wir hätten um 15 00 Uhr in Winterthur wegfahren müssen, damit wir – ohne Staus gerechnet – rd. 1 Stunde vor den Zellen uns hätten an der Küste optimal positionieren können. Mit dem Verkehr an den Alpentransversalen und bei Chiasso am Schweizer Zoll, hätten wir kaum eine Chance gehabt, weshalb die vernünftige Entscheidung sicher die richtige war.
Bei den folgenden Karten, bzw. den Blitzdichte-Archivdaten der vergangenen 24 Stunden, erkennen wir die effektive Zugbahn der Gewitterzellen.
Anhand der Blitzdichtedaten können wir die vermutliche Zugbahn der Gewitterzellen abschätzen, die hier entlang der erwähnten Bodenkonvergenz verläuft. Die hellblauen Zonen sind die blitzreichsten; bei Motovan, Rijeka, Krk und Zadar. Bei Motovan im Norden Istriens war ich schon. Das Dorf ist hoch oben auf einem Hügel erbaut und man hat rundherum eine perfekte Sicht in die vor einem liegenden Ebenen (siehe Bild: Motovan / Sturmforumthread). Dort gab es im Umkreis von 100 km2 rd. 500 Blitze!
Wie oben erwähnt, lag aber das eigentliche Blitzeldorado zwischen den Inseln Krk und Cres, also exakt dort, wo WRF die Gewitterzellen mit den extremen Intensitätsstufen modelliert hatte; und das im 03z-Vorlauf! Zuweilen bin ich immer wieder erstaunt über diese Präzision in Janek’s Wetterkarten.
Auf rd. 100 km2 vor der Küste der Insel Krk gerechnet, wurden rd. 770 Blitzentladungen registriert.
In zwei anderen Overlay-Grafiken erkennt man die Blitzdichte anhand von Punkten (die nicht die realen Zahlen repräsentieren), bei Rijeka (Bild 25) und bei der Insel Krk (Bild 26). Es hätte sich unter anderen Umständen auf jeden Fall gelohnt nach Rijeka zu fahren, so wie ursprünglich geplant und danach am Telefon mit Roland, Philipp und Christian besprochen.
Ein wenig neidisch bin ich schon…..: Blitze in der Bucht von Rijeka vom 26.07.2015 (vor rd. 5 Stunden hochgeladen)
Crometeo_Facebook / Blitze bei Rijeka (Quelle)
Ich glaube nun ein Level 1 von Estofex ist angemessen gewesen….
Storm Forecast
Valid: Sat 25 Jul 2015 06:00 to Sun 26 Jul 2015 06:00 UTC
Issued: Sat 25 Jul 2015 04:52
Forecaster: DAFIS
….Level 1 area….
North Italy is under mid layer cool conditions and DLS around 15m/s may sustain some clusters of storms for several hours and excessive rainfall and/or hail is forecast.
A low tornado threat is present in level 1 area,…..
Die Küstenregion in Kroatien ist sehr reizvoll, besonders für Sturmjäger !
Gruss Cyrill