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Artikel „Das Alter hat viele Gesichter: Zum Buch ‚Antlitz des Alters‘ von Dr. Willy Dreifuss

In Memoriam Dr. Willy Dreifuss – Teil 01

Gepostet von Cyrill Steiger am 7. Dezember 2018

Freitag, 07. Dezember 2018, abends um ca. 17 30 Uhr war ich von dieser zurückliegenden, äusserst arbeitsintensiven und anstrengenden Woche so erledigt, dass ich kaum mehr WhatsApp-Nachrichten beantworten konnte. Draussen war es bereits dunkel geworden, drinnen wohlig warm. Wie oft diese Woche sass ich am Bürotisch, noch kurz die Mails überprüfend, mich vergewissernd, ob ich noch im Stressmodus der letzten Tage die wichtigsten Pendenzen, zumindest bis Montag, hatte erledigen, oder aufgleisen können….. Danach die Blogs und Webseiten kurz gecheckt, in denen ich bei Gelegenheit Artikel und Bilder publiziere….. Dann schlief ich erschöpft über der Tastatur des PCs ein und erwachte um 19 30 Uhr, in der festen Absicht mich hinzulegen. „Schliesslich bist Du nicht mehr 20!“ schimpfte ich zu meinem Ego, das manchmal meine heutigen Energiereserven überschätzt und mein zunehmendes Alter, sowie die einhergehende Abnahme der körperlichen Kräfte, beflissentlich zu ignorieren weiss. Vor 20 Jahren wäre ich noch nach so einer Woche vielleicht in den Ausgang gegangen, als noch mehr „Saft“ in den Knochen war. Item: die Zeiten ändern sich und wenn es die Einsicht nicht schafft, am frühen Freitagabend bereits innerlich herunterzufahren und sich mit dem etwas gemächlicheren Wochenendmodus anzufreunden, den zwingt jäh die Natur, welche einem diese undiskutable Grenze aufzeigt. Dies wird einem spätestens nach dem Aufwachen über der Tastatur des PCs bewusst. „Naja, das ganze Leben ist ein Lernprozess“ versuchte ich meine Uneinsichtigkeit etwas zu entschuldigen. Sollten wir nicht mit uns selbst etwas versöhnlicher umgehen?

Ich ging in die Küche, um etwas zu trinken, stand kurz am Herd…. und da kam eine extrem starke Intuition in mein Bewusstsein. Natürlich kenne ich dieses Phänomen intuitiver Eingebungen, bis hin zur ASW-Präsenz und sind sie schwach, oder eher quasi „weit entfernt“, gehören sie meistens nicht zu jener Art der „spiritual guidance“, welche im Moment dieses Augenblicks der Einsichten tiefster Wahrheiten, auch gleichzeitig fast drängen das Richtige zu tun und im Zeitraum der Unmittelbarkeit, d.h. des absoluten „Jetzt“ auch zu handeln. Der Inhalt dieser Botschaft war: „Onkel Willy! Dreifuss. Schau nach!“ Onkel Willy, wie ich ihn als kleiner Junge nannte, war mein Kinderarzt. Er ist vor rd. 27 Jahren gestorben. Ab und zu denke ich an ihn, schmunzle, denn er war ein ganz besonderer Mensch und eine witzige Person obendrein. Um die krank gewordenen Kinder damals etwas zu beruhigen, sagte man in einem so vertrauenserweckenden Tonfall wie möglich: „So, jetzt kommt der ‚Onkel Doktor’…!“ Ob alleine dieser Satz einem die Angst vor den Untersuchungen, Spritzen und Blutentnahmen berauben würde, sei mal dahingestellt. Auf Onkel Willy freute ich mich jedes Mal, wenn seine Ankunft von meiner Mutter sinnigerweise mit „Onkel Willy kommt“ in Aussicht gestellt wurde. Auch wenn mit uns nicht verwandt, gehörte er auf eine bestimmte Weise zur Familie, was ihn durch die häufigen Besuche immer vertrauenswürdiger werden liess. So lauschte er verschmitzt lächelnd, klug und aufmerksam, meinen kurzen Schilderungen des Gelesenen aus den Büchern von „Doktor Dolittle“, die ich mir von meiner Mutter jeweils in der besinnlichen Weihnachtszeit vorlesen liess. Als ich ihm von einem zweiköpfigen Tier namens „Stossmich-Ziehmich“ fasziniert erzählte, das in Doolittles Geschichten vorkam, nahm er wortlos einen Zeichenblock aus seiner Arzttasche und einen Stift und malte in Windeseile ein Mischwesen auf das Blatt Papier, so schnell, dass die skizzenhafte Zeichnung in drei Wimpernschlägen fertig war. „Was ist das, fragte er mich?“, als ich mit aufgerissenen Augen, staunend sein Bild zu enträtseln versuchte. Ich konnte es nicht erraten. So dozierte er, in ironischer Weise einen Dirigenten im Konzertsaal imitierend: „Das ist ein ‚Krokofant‘; eine Mischung aus einem Krokodil und einem Elefant!“ Mir war kaum aufgefallen, dass er inzwischen sämtliche notwendigen Untersuchungen gemacht hatte. Einfach genial….

Nun hatte ich heute Abend diese hervorstechende Eingebung, mit der Aufforderung im Internet nach Onkel Willy, d.h. nach Dr. Willy Dreifuss zu googeln. Sofort fiel mir ein Link der ETH-Bibliothek in Zürich auf, zu einem Artikel in einer Periodica, mit dem Titel „Das Alter hat viele Gesichter: Zum Buch ‚Antlitz des Alters‘ von Dr. Willy Dreifuss.“ (Zeitschrift „Zeitlupe: Für Menschen mit Lebenserfahrung“., Band 60, 1982, von Myrtha Signer).

„Aha…. ‚Zeitlupe’…“ dachte ich. War das nicht gerade eben heute Abend ein Thema bei mir, nach dieser hektischen Woche, wo ich alleine gestern über eine halbe Tonne Bücher aus meiner umfangreichen Bibliothek neu einlagerte? „Ja manchmal zieht man die Themen eben an. Das Gesetz der Anziehung, sagt man…“ sinnierte ich, mit dem Blick über den Artikel schweifend, der nun als PDF online verfügbar ist. Da stutzte ich einen Moment, als ich neugierig wie immer nachsehen wollte, seit wann dieser Artikel überhaupt online verfügbar ist. Ich traute meinen Augen nicht. Da stand „07.12.2018“…..; also genau heute, vor wenigen Stunden, wurde dieses 36 Jahre alte Zeitdokument über einen der aussergewöhnlichsten Menschen, die in Zürich je gelebt haben, von der ETH-Bibliothek online gestellt. Danke!

https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=zlp-002:1982:60::949

Als Erwachsener ging ich ihn ab und zu, alle paar Jahre, in seinem Haus am Susenberg besuchen, so wie schon als Kind, als ich in heissen Sommertagen mit Badehose ausgerüstet, seinen Swimmingpool im Garten benutzen durfte und seine Frau mir Zvieribrote strich, die ich dann mit einem Sirup zusammen am kühlenden Schatten unter dem offenen Sonnenschirm zu mir nahm. Es waren unbeschwerte Stunden voller Lebensfreude, die ich ihm verdanken kann und viel mehr noch! Schön, dass ich heute über dieses „spiritual guidance“-Erlebnis ihm nochmals so nah sein darf, in Gedanken, in memoriam…..; und ich wünsche mir für ihn, dass einer seiner Träume doch noch erfüllt werde. Denn dieser bräuchte den richtigen Impuls, um den Faden zu seinem „Bestselleriesalat“ (Zitat) erneut aufzunehmen, was ich mir als Kompendium seiner enormen Schaffenskraft und künstlerischen Vielseitigkeit vorstellen kann, da man ihm nicht gerecht werden würde, wenn man nur einen Teil der breit angelegten Palette publizierte. Onkel Willy war ein Mensch mit enormer Energie, der zwischen zwei Hausbesuchen als Kinderarzt, mit seinem VW-Käfer zur Tonhalle in die Züricher Innenstadt fuhr, selbst im Winter bei Schnee und eisigen Temperaturen, um dort während einer Aufführung sich leise in die hintersten Ränge zu setzen, um zu zeichnen: Dirigenten, Geiger, Musiker aller Art und Gattung. Bald schlich er sich wieder leise davon, weil das nächste kranke Kind auf ihn wartete, welches er dann fröhlich und witzig, aber genauso konzentriert untersuchte.

Natürlich denke ich in jeder Vorweihnachtszeit an Onkel Willy, denn ich war meistens mit einer Grippe im Bett und hatte endlich Zeit aus dem „Franz Carl Weber“-Spielzeugkatalog all die schönen Bilder auszuschneiden und auf ein Blatt Papier zu kleben – es waren mehrere Blätter…;-) – das dann meine Mutter in der kommenden Nacht auf das Fenstersims legte, damit es das Christkind beim Vorbeiflug abholen und an Weihnachten schön verpackt meine Wünsche einlösen könne. Ob Auto, Flugzeug, oder Rennbahn: unter jedem Bild stand „willi“, „willi“, „willi“; und als ich als erwachsenere Mann meine Mutter einmal besuchte, meinte sie, man habe diese Wunschliste niemals Onkel Willy gezeigt. So viel Geschenke habe man ihm, trotz der Nähe zur Familie und des Onkel-Titels doch nicht zumuten können, weshalb auch nur ein kleiner Teil meiner Begehrlichkeiten unter dem Tannenbaum und Kerzenschein zum Öffnen als Paket bereit standen. „Mutter!“ lachte ich laut. „Damit war doch nicht Onkel Willy gemeint! Das heisst ‚will ich, will ich‘, am besten „alles will i, willi, willi, willi‘ usw.“

 

 

 

 


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