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Raureif am 27.11.2020 – Bilder eines Märchenwaldes

Gepostet von Cyrill Steiger am 27. November 2020

Bereits am Vortag blickte ich vor Sonnenaufgang aus dem Fenster und sah die Landschaft „angezuckert“, wie meine Tante mir als Kind diesen Zustand in der Natur erklärte, wenn sich durch Nebel in den Wintermonaten an den Ästen der Bäume und Grashalme kristallähnliche Eispartikel anlagern und kunstvolle Formen annehmen. Um diesen Effekt zu erzielen braucht es eine hohe relative Luftfeuchtigkeit von über 90% und eine Temperatur von unter 0° Grad Celsius. Die Analogie zum Süssungsmittel, das fein zerstäubt auf manchen ihrer hausgemachten, feinen Torten verteilt war, liegt nahe. Es scheint mir verständlich zu sein, dass ich beim ersten Hinsehen, in der morgentlich „angezuckerten“ Landschaft auch den Gedankenlink zu den köstlichen Backwaren nicht verkneifen kann. Doch spätestens bei der ersten Mutprobe in der Morgendämmerung aus dem wohlig geheizten Haus zu gehen, weckt in einem schlagartig das Bewusstsein, dass es sich um Eiskristalle handelt, um Raureif, der unter Bedingungen sich entwickelt, in die man sich vornehmlich mit Winterstiefeln, einer warmen Daunenjacke und Handschuhe trauen sollte. „Saukalt!“ murmeln meine durch die tiefe Temperatur klamm gewordenen Lippen. In der Ambivalenz zwischen: „soll ich mir dies wirklich antun..(oder nicht lieber wieder umkehren)“ und einem Gefühl der Neugier und einer besonderen Art von Frische, entschied ich mich eindeutig für die zweite Option. Alleine schon aus dem Motiv heraus, mir dies tags zuvor beim Blick aus dem Küchenfenster vorgenommen zu haben, Bilder vom Raureif in den ersten Sonnenstrahlen zu machen, die das Tal langsam mit Licht flutet, war Grund genug in die widrige Kälte zu gehen, bei welcher der Hauch des eigenen Atems um die Ohren wedelt. Aber all dies hatte ich vergessen, als ich an den Zauberwald oberhalb von meinem Wohnort herantrat, der noch im Schatten lag und ich genügend Zeit fand mir die ideale Aufnahmeposition zu suchen, für den Moment, wenn das helle Tagesgestirn über der Gratlinie der nächsten Hügelkette hervor blinzelt. Kaum hat die Sonne ihren Siegeszug über die Finsternis der Nacht für sich entscheiden können und ist dem Horizont entstiegen, gilt es schnell zu handeln, denn die glitzernde Zauberwelt aus Eiskristallen wird durch die Wärme binnen weniger Minuten weggetaut. Es ist schon eine gewisse Herausforderung im Spiel von Licht und Schatten die besonderen Momente in diesem Märchenwald mit der Fotokamera einzufangen, wenn einem nicht allzu viel Zeit zur Verfügung steht.


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