Schwere Verwüstungen durch einen Tornado im Südschwarzwald am 13.05.2015
Ein F 3-Tornado pflügte sich am Abend des 13.05.2015 zwischen der Feldberg-Passhöhe, Bonndorf und Fützen durch einige auf seinem Pfad liegende Höfe und Wälder!
Das Ausmass der Schäden, die ein beachtlicher Tornado im Südschwarzwald angerichtet hat, sind enorm. Sein Pfad war aussergewöhnlich lang; man schätzt ihn auf eine Länge von rd. 43 km, von Grafenmatt entlang des Ober-Bärentals, hinunter ins Windgfäll-Gebiet, danach östlich über Glashütte, Bonndorf, Lembach, Lausheim und Fützen. Kurz vor der Schweizer Grenze, an der Nordflanke des Randen, verlor der Tornado seine Kraft und löste sich auf. Wie durch ein Wunder gab es keine Todesopfer. Eine Person wurde leicht verletzt, als sie in einen umgestürzten Baum fuhr.
Normalerweise kennen die Bewohner im Südschwarzwald solche Bilder aus den Medien, von weit entfernten Gebieten. Doch am Abend des 13.05.2015 vollzog sich der Albtraum vor ihrer eigenen Haustüre. Mit über 255 – 300 km/h Windgeschwindigkeit im Innern des Rüssels, fegte ein trichterförmiger, sich drehender Wolkenschlauch durch die Landschaft, alles zerstörend was auf seinem Weg war. Im offenen Gelände mit niedriger Vegetation und wenig Angriffsfläche, konnte man in den zwei Tagen danach seinen Pfad nur am niedergewalzten Gras erkennen. Doch bereits bei einem Rapsfeld, wie am Beispiel in der Region Breitwang bei Fützen zu sehen war, rupfte der Vortex die Blüten von den Stängeln. Wie stark aber diese enormen Kräfte wirkten, zeigte sich in unmittelbarer Nähe, wo ein Strommast einer Überlandleitung umknickte.
Doch die Bilanz der Schäden in den Wäldern ist verheerend, meint der Stadtförster von Bonndorf Steffen Wolf. Der Tornado habe mehr verwüstet als der Jahrhundertsturm Lothar. Im Stadtwald von Bonndorf beim Kesselberg entstand eine Schneise von mehreren hundert Metern Breite und über einem Kilometer Länge. „Eine solch breite Schneise, von einem Sturm verursacht, habe ich noch nie gesehen.“ sagt Wolf bestürzt. Er schätze alleine an dieser Stelle den Schaden auf 50 Hektar, bzw. 15’000 Festmeter.

Bild 03: Bonndorfer Stadtwald mit beeindruckender Schneise beim Kesselberg. Im Hintergrund (Bildmitte) Bonndorf. Diese Aufnahme entstand während eines Erkundungsfluges entlang des Tornadopfades.
Südkurier (Zeitung): Schock nach dem Tornado über Bonndorf
Mitten in Hochstammgebieten wie am Kesselberg, in denen Weisstannen und Fichten dominieren, existieren stellenweise kleine „Inseln“ mit niederem Bewuchs und Laubbäumen, kleine „Oasen“ von Jungholz, die von frischen Aufforstungen zeugen. Dort gibt es geringe Schäden, während am Rande sich bis zu 7 Meter hohe Wälle von übereinander gestapelten Stämmen von Nadelbäumen türmen, wie die beiden folgenden Aufnahmen verdeutlichen:

Bild 04: „Oase“ mitten im Trümmerfeld, eine fast schadenfreie Zone umringt von tausenden, umgeworfener Nadelbäume.

Bild 05: Bis zu 7 Meter hoch ist der Wall über dem Waldweg nach Süden, der sich aus übereinander geworfenen Stämmen der entwurzelten, oder abgerissenen Bäumen gebildet hat.
Die Stämme und Äste der Bäume sind geknickt, zerfetzt und ausgerissen. Sie sind entrindet, entlaubt und umgeworfen. Mit brachialer Gewalt haben Winde alte, stabile Bäume entwurzelt, deren Teller rd. 8 Meter Durchmesser betragen.

Bild 06: Unvorstellbare Kräfte wirken bei solch starken Winden auf die Bäume, deren beindicke Wurzeln dem Druck nicht mehr standhalten können. Wie schnell dies gehen kann, erlebte ich beim Lothar; hier zeigt es sich anhand des kleinen Baumes, den es im Moment der Entwurzelung des Kolosses, gleich auf die Gegenseite und an die untere Tellerseite geschlagen hatte. Mein Kollege Roland Morgenthaler stellte sich hin, damit man die eindrücklichen Dimensionen sieht.
Wie kann man nun einen durch übliche Sturmböen entstandenen Schaden von einem Tornadoschaden unterscheiden? Über dieses Thema gibt es sehr interessante und sehr sorgfältig erarbeitete Studien, wie z.B. „Analyse von Tornado- und Downburst-Windschäden an Bäumen“ von Martin Hubrig. Darin werden u.a. die Brucharten und Wurfmuster behandelt. „Bei Schäden an Stamm und Krone werden Schaft-, Wipfel-, Ast- und Stauchbrüche (Faserstauchungen) unterschieden.“
Typisch für Tornados sind Verwindungen in den Bruchzonen der Äste, wie folgendes Bild bei Bonndorf zeigt:
Ein weiteres Indiz sind klar begrenzte Schneisen, aber vor allem kreisförmige Wurfmuster, die durch die Rotation des bis an den Boden reichenden Wolkenschlauchs entstehen. Solche Signaturen sind eindeutige „Fingerabdrücke“ von Tornados, wie man sie z.B. aus der Vogelperspektive innerhalb der Schneise an der Nordflanke beim „Hochkopf“ (1’308 m.ü.M.) sehr gut erkennen kann. Diese Schneise, welche im Bereich „Wanne“, bzw. „Wannenbach“ die Bundesstrasse 317 tangiert und auch auf einer Länge von rd. 150 Metern nördlich der Verkehrsverbindung nach Bärental und Titisee Schäden im Wald hinterlassen hat, dreht etwas nach Osten ab. Die südliche Begrenzung verläuft sozusagen parallel zur 1’190 m.ü.M.-Höhenlinie, wobei der Beginn der Schneise im Lee des „Hochkopfs“ unwesentlich höher, bei rd. 1’210 m.ü.M. liegen dürfte. Bei folgender Aufnahme aus der Vogelperspektive, die mit einer Drohne gemacht wurde, sieht man diese parabelartige Richtungsänderung gut. Meines Wissens ist dies die höchstgelegene, nachweislich von einem Tornado stammende Schneise Europas!

Bild 08: B 317 im Ober-Bärental aus der Sicht einer Drohne. Im Bereich „Wanne“ gibt es beidseitig der Verkehrsachse zwischen dem Feldberg und Titisee massive Waldschäden, die eindeutige Wurfmuster eines Tornados aufweisen.

Bild 09: Domi S. fotografierte diese Schneise von der Ostseite her nach Westen. Hunderte von abgeknickten Stämmen.
Quelle: Tornadoschneise im Bereich Wanne
Ganze Bilderserie hier: Tornadoschaden-Bilderserie von Domi S. im Schweizer Sturmforum

Bild 10: Das weiter oben erwähnte, kreisförmige Wurfmuster ist bei der grossen Schneise im Bonndorfer Stadtwald am Kesselberg sehr ausgeprägt zu sehen. Diese Aufnahme entstand im Zusammenhang mit dem Aufklärungsflug zur Ermittlung der Pfadlänge und der allgemeinen Schäden.
In der Presse, aber auch in den im Internet zur Verfügung stehenden Einsatzberichten der lokalen Feuerwehr tauchten nach dem Ereignis täglich, ja fast stündlich, neue Berichte auf, wie z.B. von der Feuerwehr in Lenzkirch: 13.05.2015: Tornado in Lenzkirch. Die Bilder sprechen für sich
Bei der Schadenanalyse, dazu noch in hügeligem Gelände, ist die Lokalisierung, sowie die Recherchen im Vorfeld, nicht erst vor Ort, sehr wichtig. Vermindert hilfreich sind Ortsangaben mit drei Fragezeichen….

Bild 11: Tornadoschäden bei Lenzkirch. Meldung des Einsatzes der örtlichen Feuerwehr. Offenbar waren sie sich über den Einsatzort nicht mehr so sicher.
Die Stellen, bei denen Schäden zu sehen waren, sind teilweise sehr verstreut und von einem Waldrand, oder Strasse überhaupt nicht einzusehen, weshalb wir bei Raitenbach und westlich von Lenzkirch die Drohne einsetzen mussten.

Bild 12: Blick in Richtung Südwesten, ins Urseebachtal. Der bewaldete Hügel trägt die Bezeichnung „Raitenbacher Höhe“, südöstlich von Raitenbuch. Im Vordergrund rechts den „Möslehof“, gut zu sehen. Die grösseren Tornadoschäden sind im linken Bildteil, im Bereich „Urseebach“ und „Gfällhalde“ erkennbar.
Weiter östlich wurden Dächer beschädigt und teilweise abgedeckt (Glashütte), Mauern zum Einsturz gebracht (Bonndorf), einen ganzen Schafstall zerstört, Steinkreuze aus der Verankerung gerissen und Fotovoltaik-Anlagen weggeweht (Lausheim). Die mit Plastik eingewickelten Gras-, bzw. Heuballen, sollen rd. 600 kg wiegen. Bei Glashütte wurden solche durch die Luft gewirbelt und über mehr als hundert Meter verfrachtet. Wie trafen einen Jagdaufseher, der auf der Suche nach seinem LKW-Anhänger war, der ausser dem Untergestell, welches er in einem nahen Feld liegend fand, sich buchstäblich in Luft aufgelöst hatte. Im Blogpost „Schadenanalyse“ werde ich diesbezüglich noch mehr ins Detail gehen.

Bild 13: Einem Sturmjäger aus Deutschland gelang ein eindrückliches Foto des Tornados. Aufnahmezeitpunkt 21:38 Uhr MESZ:
Quelle: Beitrag Schweizer Sturmforum von Ben_Bild
Beitrag Schweizer Sturmforum von Ben_Text-Post
Diese Sichtung wurde von Thomas Sävert in die Tornadoliste aufgenommen (Tornado Bonndorf 13.05.2015).
Vermerkt und mit dem Code „QC 1“ (= report confirmed) ausgestattet, auch beim ESWD (European Severe Weather Database).
Bild 14: Zufällig wurde dieser Tornado auch noch in der Nähe von Bonndorf fotografiert (siehe Beiträge im Schweizer Sturmforum). Zeit ca. 21 30 Uhr MESZ.
Gab es für diesen Tag Unwetterwarnungen? Ja, bei ESTOFEX (European storm forecast Experiment) wurde Level 2 (von 3 Warnstufen) ausgegeben, mit einem Hinweis auf mögliche Downbursts und Tornados. Doch Bernhard Oker und ich reagierten noch früher und eine Lage für Extremwetterereignisse zeichnete sich bereits am 11.05.2015 ab (s. Sturmforum Forecast). Im Blog hier werde ich nochmals ausführlicher auf die Prognose eingehen (Post folgt in ca. 1 Woche).