Xtreme Weather Tours Blog

Gewitter- und Tornadovorhersage für den 13.05.2015; ein Resümee, Teil 01

Betrachtungen und Analyse zur prognostizierten Extremwetter-lage am 13.05.2015.

Gepostet von Cyrill Steiger am 27. Mai 2015

Der Vorhersagezeitraum umfasst 84 Stunden in der Mittelfrist (bis 12z) und in der Kurzfrist max. 54 Stunden (bis 18z +/- 3 h). Radarbilder und Fotos dokumentieren die Ereignisse im Nowcast-Zeitfenster von rd. 5 Stunden (ca. 18 00 Uhr – 23 00 Uhr MESZ).

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In Zentraleuropa Tornados vorherzusagen ist beinahe unmöglich. Es fehlen Archiv-Wetterdaten und Erfahrungen, auf welche zurückgegriffen werden können, in denen Übereinstimmungen in der Synoptik zu entdecken sind, die einen referenziellen Charakter besitzen. Die vielen Informationen, die im Zusammenhang mit dem F 2-Tornado im Südschwarzwald in den letzten Tagen zusammengetragen wurden, könnten ihn zum Präzedenzfall werden lassen. Anhand dieser Daten wäre es möglich, künftig die Prognosen solcher Ereignisse zu verbessern und die Vorhersagefrist zu verlängern. In diesen Betrachtungen und Analysen zur Extremwetterlage am 13.05.2015 möchte ich die Ausgangslage und die Modellierungen, den tatsächlichen Ereignissen gegenüber stellen. Im Sinne einer Fallstudie, möchte ich hier so weit es mir möglich ist, den Verlauf dieser Episode untersuchen und erklären, einschliesslich der im Schweizer Sturmforum publizierten Überlegungen einiger am Forecast beteiligten Personen.

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Bild 01: Die vom DWD am Sonntag, dem 10.05.2015 um Mittenacht 00z ausgegebene Karte für den Mittwoch, 13.05.2015 (+ 84 h). Quer über der Nord- und Nordostschweiz liegt ein Warmfrontabschnitt.

Selbst in den USA ist die Vorhersage von Gewittern, Superzellen und Tornados eine anspruchsvolle Angelegenheit, auch wenn die Wetterlagen in den Frühlings- und Sommermonaten in den Great Plains und in den zur Tornado-Alley gehörenden, angrenzenden Staaten immer wieder ähnliche Muster aufweisen und diesbezüglich gut referenzierbar sind. Die zur Verfügung stehende Energie zur Bildung von tornadoträchtigen Superzellen ist um ein Vielfaches grösser wie in Europa und die weiten Ebenen z.B. bieten eine gute Voraussetzung, um diese zu produzieren. Diese Energie wird in CAPE (Convective Available Potential Energy) gemessen. Während bei uns eher selten 1’500 – 2’000 J/kg ML-50 CAPE erzeugt wird und selbst dann ein günstiges Zusammenspiel verschiedener Faktoren für die Umsetzung dieser Energie, bzw. die Gewitterauslöse vorhanden sein muss, gehören in den USA ML50-CAPE von 4’500 bis 5’500 J/kg zu einem eher üblichen Superzellen-Setup. Für unsere Verhältnisse wirkt dies monströs; davon können Stormchaser in Europa nur träumen. Man reibt sich ja hier schon mal die Augen und sieht zur Sicherheit zwei Mal hin, um sicher zu gehen, dass man sich nicht täuscht, wenn einem 32 Stunden vor dem Gültigkeitszeitstempel (valid time 16z) und etwa 26 Stunden vor Chasingbeginn, bzw. 28 Stunden vor der Strategieentscheidung, solche massiv hoch gerechnete MU-CAPE-Modellierung präsentiert werden (s. Bild 02).

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Bild 02: Die WRF-NMM Modelle bei Keraunos rechneten in Ostfrankreich bis zu 5’000 J/kg MU-CAPE. Das ist aussergewöhnlich viel.

Demzufolge ist es nicht verwunderlich, dass ich um 09 46 Uhr MESZ, am 12.05.2015, während dem morgendlichen Studium der Wetterkarten, in helle Aufregung geriet, als ich statt – wie sonst üblich – die Cosmo2-, GFS- und WRF-ARW-Wetterdaten, die GFS-basierten WRF-NMM-Modelle ins Zentrum der Synoptik setzte. Speziell in solchen Lagen, in denen die Zellverlagerung über 90 km/h beträgt, tritt das zu prognostizierende Szenario wesentlich deutlicher hervor, wenn die Karten in stündlichen Intervallen eingesehen werden können. Bei den 3-h-Intervallen der Modellkarten bei GFS zum Beispiel, sind Gewitterentwicklungen in einem solchen Fall nur unvollständig und rudimentär heraus zu kristallisieren. WRF-NMM von Keraunos rechnete für den 13.05.2015 um 16z verbreitet satte 4’000 J/kg MU-CAPE, an einer Stelle in Ostfrankreich, westlich des Juras, sogar 5’000 J/kg und einen Lifted Index (LI) von -9!

Insbesondere bei solchen, nicht alltäglichen Wetterlagen, die sich durch eine zu trockene Grundschicht auszeichnen und der LCL ungewöhnlich hoch liegt, ist eine sog. „elevated convection“, also eine konvektive Entwicklung aus einer erhöhten Schicht heraus, möglich und birgt die Gefahr von Grosshagel und Downbursts in sich. Bei der Synoptik macht es mehr Sinn der MU-CAPE, d.h. dem Energiepotential in der instabilsten Schicht, ein besonderes Augenmerk zu schenken. Ein gemittelter Wert wie die ML50-CAPE sind dabei nicht wirklich eine aussagekräftige Referenz, höchstens in Bezug auf die CIN, d.h. auf die Kraft, welche die CAPE in Schach hält und unterdrückt. Sturmjäger hoffen, dass diese unterbindende Kraft, der sog. „Deckel“, durchbrochen wird, denn danach entfaltet sich die gesamte Energie, welche zuvor über mehrere Stunden hinweg aufgestaut wurde, was als sog. „loaded gun“ bezeichnet wird. Dieses Prozedere kann mit einem Vulkanausbruch verglichen werden. Anhand eines anschauolichen Beispiels, erklärte die Meteorologin Fabienne Muriset einem Forumsmitglied (Reto SG) diesen Vorgang am 13.05.2015, in ihrem Post um 16 07 Uhr MESZ: „Wenn der Deckel nicht hält, wird sich die Atmosphäre wie eine geschüttelte Colaflasche verhalten. Sektkorken wäre auch ein guter Vergleich.“ Einige begannen um diese Zeit bereits zu zweifeln, ob der durch die hohen CIN-Werte erzeugte „Deckel“ (Inversionsschicht) überwunden werden kann. Fabienne schrieb: „Möglicherweise passiert tatsächlich nicht mehr viel (Deckel hält, Variante Cosmo).“

Sogar bis 2 Stunden vor der tatsächlichen Auslöse der grossen Gewitterzellen in Frankreich gab es einige Stimmen im Forum, bei denen die Unsicherheitsfaktoren dominierten. Dies war für mich kein Thema und so hielt ich an meiner allgemeinen Prognose vom 11.05.2015 fest, die ich um 21 32 Uhr MESZ ins Forum schrieb: „Das Szenario: gewaltige Aufwinde lassen die Wolken bis an die Grenzschicht quellen, Hagel produzierend und im Tropopausensektor tragen die Wolken die Pileus-Häubchen, was auch optisch etwas hergibt! Durch den ersten Niederschlag wird die Grundschicht angefeuchtet, die Zellen „explodieren“ förmlich und die Micro- oder Downburstgefahr steigt steil an.“ Dies war ein Teil meiner Antwort auf die Frage von Bernhard Oker, die er kurz zuvor, am 11.05.2015, um 20:16 Uhr MESZ ins Forum gestellt hatte, worin es hiess: „Hat die Lage vom Mittwoch Ähnlichkeiten mit dem 29.06.2008?“ Fast zeitgleich kam mir die selbe Situation in den Sinn und suchte nach dem Datum. Bernhard war etwas schneller, weshalb ich seine Frage bejahte, nachdem ich seine Links zum Sturmforum-Thread bezüglich des verheerenden „Wet Microburst“ (Downburst) in Meersburg anklickte und meine Erinnerungen auffrischte.

In meiner Antwort gab ich auch die Höhe des LCL’s (Lifting Condensation Level) in der Nordschweiz von rd. 2’000 m.ü.M. an, was sehr hoch ist. Durch die schlechte Auflösung, lassen sich die Zonen nicht genau festlegen. Die gelbe Farbe, um 15z über das gesamte Schweizer Mittelland und die Genferseeregion verteilt, gab sogar einen LCL von bis zu 2’500 m.ü.M. an, was eher für einen, die Gewitterbildung unterbindenden Faktor sprach. Ohne genügend Feuchtigkeit in der Grundschicht bekommt eine allfällige Konvektion aus der Mittelschicht heraus keinen Nachschub von unten. Dies war für weite Teile der Schweiz am 13.05.2015 auch das Problem und der MeteoSchweiz-Mitarbeiter Thomas Jordi schrieb in seinem Post um 16 53 Uhr MESZ, dass man anhand von Cosmo-Daten diese trockene Phase auf dem Skew-t-Diagramm gut erkennen könne und die Auslöse auf 10’000 Fuss, also auf rd. 3’050 m.ü.M. stattfinden würde. Anhand einer bestimmten Wolkenart kann man die oben beschriebene Situation auch vor Ort beurteilen. Es sind die Altocumulus floccus virga (Ac floc vir), oder auch „Quallenwolken“, die Chris Matthys um ca. 17 30 Uhr MESZ im Aargau fotografiert und ein Bild im Forum gepostet hatte. Der Niederschlag verdunstet in der trockenen Luftschicht und er sieht aus, wie die Tentakeln einer Würfelqualle.

Rund eine Stunde später, um 18 00 Uhr MESZ (13.05.2015) hatte das lange Warten ein Ende. Etliche Sturmjäger waren zwischen den Vogesen in Ostfrankreich, dem Südschwarzwald und der Bodenseeregion unterwegs und hatten sich je nachdem, was sie auf Video oder Foto bannen wollten, positioniert. Töbu in Subingen war der Erste, der reagierte und schrieb: „In der Nähe von Chaumont in Frankreich dürfte es nun erstmalig gezündet haben.“ Nur wenige Minuten später reagierte der Meteorologe Marco Stoll, der ein von ihm vermutetes Szenario in seinem Post ankündigte: „Nowcast-Szenario der nächsten 3h: diese Ostfrankreich-Zellen marschieren über Vogesen-Rheingraben-Schwarzwald hinweg … ihr outflow triggert am Juranordfuss in der Suppe unseren mega-Cb, der anschliessend über die NO-Schweiz hinwegmarschiert :mrgreen: *wünsch*“

Wie das Radar zeigt, blieben in weiten Teilen der Schweiz die Gewitter aus.

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Bild 03: Um ca. 18 00 Uhr am 13.05.2015 ging es explosionsartig in Ostfrankreich bei Langres los.

Quelle: Infos Meteo – Les orages violant du 13.05.2015 sur le Nord-Est

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Bild 04: Auch auf diesem Radarbild (Wolken-Top-Temp.) gut zu sehen: Entwicklung der Gewitterzellen bei Langres, wie aus dem Nichts.

In atemberaubendem Tempo bildete sich westlich der Vogesen ein ganzer Multizellenkomplex, ein imposanter Cluster, der in West-Ost-Richtung über die von Marco beschriebenen Gegenden zog, bzw. „marschierte“. Ich nannte ihn in meiner Vorhersage vom 13.05.2015, 03 10 Uhr MESZ den „West-Ost-TGV“ aus Frankreich. Anhand verschiedener Parameter berechnete ich eine sehr hohe Geschwindigkeit der Zellverlagerung von 90 km/h und schrieb dies in der Antwort an Chris Matthys, der seinerseits kurz nach Mitternacht in seinem Forumbeitrag einen Speed von 100 km/h erwähnte. Marco Stoll postete um 14 15 Uhr MESZ eine Grafik, in der eine Cosmo2-Vorhersage in Bezug auf die Zellverlagerung nach Osten modelliert war. Geschwindigkeit: 90 km/h; soviel (Zitat) „Zum storm speed, der im FCST-thread zuletzt noch diskutiert wurde: hier die Berechnung auf Basis der Profiler-Messungen Payerne,…“

 

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Bild 05: Cosmo 2-Vorhersage um 12z, am 13.05.2015, bezüglich Geschwindigkeit der Zellverlagerung (Storm Speed): 88 km/h „mean advection“. Ebenfalls zu sehen MU-CAPE und MU-CIN (Erklärung weiter oben).

 

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Bild 06: Bereits 45 Minuten nach der Entstehung der Gewitterzellen in Ostfrankreich hat sich ein Cluster gebildet, z.T. mit höchster Radarintensitätsstufe.

 

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Bild 07: Französische Sturmjäger haben fantastische Aufnahmen von den sich entwickelnden Gewittern gemacht

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Bild 08: Seltenes Schauspiel: Pileus, eine schleierartige Wolkenform, die sich vor allem am oberen Rand einer rasant in die Höhe schiessenden Gewitterwolke bildet, kurz bevor sie ihr vollständiges Reifestadium erreicht hat. Sie wird oft auch als Pileus-Häubchen, oder Kappe / Mütze bezeichnet, obwohl sie bei besonders kräftigen Aufwinden vom schnell anwachsenden Cumulus congestus durchstossen wird und dann eher wie ein Seidenschal wirkt. Cumulus congestus pileus sind nach meiner Erfahrung ein Indiz für Hagel, grösser als 2 cm, oder aber auch für Downbursts. In dieser im Bild gezeigten, übereinander geschichteten, doppelten Variante, habe ich diese Wolkenform erst ein Mal beobachten können.

Quelle Bild 07 und 08: Keraunos: Supercellule dans le nordest de la France_13.05.15

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Bild 09: Die Gewitterfront zieht um ca. 20 45 Uhr MESZ über Colmar (F) in den Rheingraben und danach über Freiburg im Breisgau (D) in Richtung Feldberg-Südschwarzwald. Foto: Domi S.

 

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Bild 10: Einen Teil des Multizellengewitters zieht direkt in Richtung Feldberg (D). Foto: Domi S.

Quelle Bild 09, 10: Fotoserie von Domi S. im Schweizer Sturmforum

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Bild 11: Superzelle bei Freiburg (Unwetternetzwerk.de)

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Bild 12: Blitz am Bodensee (Krys, Schweizer Sturmforum)

Rückblende: Am Sonntag-Nachmittag, am 10.05.2015, erhielt ich ein Telefon eines Kollegen, der mich auf die in Aussicht stehende Gewitterlage ab Dienstag aufmerksam machen wollte. Ralph (nordspot) bat mich einen Thread zu eröffnen, mit einer Einschätzung von mir, was mir sehr ungelegen kam, da ich mitten in einer wichtigen Arbeit war. Ich animierte ihn zur Threaderöffnung mit seiner eigenen Einschätzung und stelle ihm in Aussicht seinen Post zu kommentieren. In seinem Beitrag, den er am 10.05.2015 abends im Forum publizierte, schrieb er über „die anstehende Gewitterlage ab übermorgen“ , worauf ich einige Stunden später reagierte. Die Neugier hatte mich schon gepackt. Ich erklärte ihm am Montag, 11.05.2015 um 04 24 Uhr MESZ, weshalb es aus meiner Sicht am Dienstag, 12.05.2015, „keine Gewitter“ geben könne, obwohl SF-Meteo sogar bis am Dienstagabend von Gewittern in der Nacht sprach. Es gab keine Gewitter.

Hingegen schrieb ich im selben Post: „Der Mittwochabend sieht dafür viel interessanter aus. Da kommt wieder Bewegung in die Front; und da könnte es am späteren Abend bis weit nach Bayern hinein für das eine oder andere Gewitter reichen…. “

Einige Stunden später kamen erste Feedbacks; dieses von Jonas (microwave) freute mich am meisten: „Deine Erklärungen leuchten ein und sind wohl extrem wertvoll für die Chaser unter uns!“ Danke! Ich hoffe, dies gelte auch für die von mir hier vorgelegte Analyse.

Die Entwicklung einer Gewitterlage hängt vom Zusammenspiel einiger Faktoren ab, die unterschiedlich miteinander korrelieren. Das Eintreten dieser Situation kann von einem bestimmten Zeitpunkt an relativ genau vorhergesagt werden. Dieses Zeitfenster reicht von 1-48 Stunden, oder in selteneren Fällen noch mehr. Je näher man zeitlich dem in den Fokus gestellten Szenario kommt, desto genauer natürlich wird die Vorhersage, da zunehmend von Lauf zu Lauf die Modellkarten der verschiedenen Anbieter sich gleichen. Doch jeder Forecaster, ob Meteorologe, oder Sturmjäger, hat seinen eigenen Stil und eine besondere Vorgehensweise bei der Erstellung einer Prognose. Dazu gehört auch viel Erfahrung im Umgang mit dem Kartenmaterial. Oft erlebte ich, dass das Datenmaterial (z.B. bei WRF-ARW) vom Vorlauf zutreffender war, als im aktualisierten Lauf. Bei GFS (z.B. bei wetter3.de) machte ich die Erfahrung, dass das tollste Gewittersetup im aktualisierten Lauf quasi „an die Wand gefahren“, bzw. auf Null reduziert wurde. So ist eine Interpolation von einer Prognose, welche man aufgrund der Daten eines Vorlaufs gemacht hatte, auf die aktuelle Situation und Entwicklung anwendbar, aber nicht immer. Deshalb ist es empfehlenswert, jede Karte von jedem Lauf und von jedem Anbieter jeweils neu zu interpretieren, im synoptischen Kontext mit allen anderen und im Vergleich mit denen vom Vorlauf. Dies kann schnell dazu führen, dass die Prioritäten anders gesetzt werden müssen und Targets man verlegen muss. Bei so einem Prozedere kommen schnell einmal 150-200 Wetterkarten zusammen, die ich im PC abspeichere. Hinzu kommen Radarbilder, Satellitenbilder usw. Alleine für diesen Event habe ich am Abend des 11.05.2015 hinsichtlich des 13.05.2015 rd. 69 Karten und am 12.05.2015 weitere 102 Karten gespeichert. Ich zeige hier natürlich nur diejenigen, welche letztlich besonders relevant waren.

Nach dem Kartenstudium am Dienstag, dem 12.05.2015, war ich vom bevorstehenden Setup für Gewitter, bzw. Superzellen mit einer hohen Downburst- und Tornadowahrscheinlichkeit, d.h. dem gesamten synoptischen Resultat, sehr begeistert und telefonierte gleich einigen Personen, um Termine am 13.05.2015 zu verschieben, oder abzusagen, was ich nur in Ausnahmefällen mache. Dies war mit dem Zweck verbunden, mich voll auf das geplante Chasing konzentrieren und vorbereiten zu können, denn dieses Mal würde es keine übliche Jagd werden. Diese aussergewöhnliche Lage bot die seltene Gelegenheit, extreme Wetterphänomene in unmittelbarer Nähe aufzuspüren, zu verfolgen und zu dokumentieren. Dies war bereits am 12.05.2015 aus den Karten heraus interpretierbar und mein inneres Bauchgefühl, die Intuition war auf „ready“ eingestellt. Diese Wortwahl, wie am 12.05.2015 um 12:18 Uhr MESZ, habe ich zuvor im Schweizer Sturmforum noch nie verwendet: „….. ich konzentriere mich auf morgen, denn das könnte D-Day werden; entweder geschichtsträchtig, oder (wie Fabienne anklingen liess) normale, moderate, bis übliche Zellchen….. wenn überhaupt.“ (siehe Forecast-Thread) Ich rechnete mit einem aussergewöhnlichen Ereignis am „D-Day“ und rief Andreas Hostettler von MeteoSchweiz an, in der Absicht, mit ihm gemeinsam auf Tornadojagd zu gehen. Zudem warnte ich am Dienstagabend (12.05.2015) meinen Nachbar, der im Garten mit seiner Familie und seinen Freunden am Grillieren war, da sein Zuständigkeitsgebiet als Aussendienstmitarbeiter mit dem Vorhersagegebiet von den vermuteten Extremwetterereignissen teilweise identisch war; Grossraum Schaffhausen, Teile Thurgaus. Es könnte bereits nach 17 00 Uhr bis 18 00 Uhr in der Nordwestschweiz losgehen, meinte ich und zeigte ihm die folgende Karte, mit den eingekreisten Gebieten, in denen stufenweise die Tornadorisiken angegeben sind:

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Bild 13: In diesem „Spaghetti“-Haufen über Zentraleuropa ist die kleine Schweiz kaum mehr zu sehen (init 12.05.2015, 00z + 39 h = 13.05.2015, 15z); deshalb hier noch einen Ausschnitt:

 

 

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Bild 14: Ein äusserst seltenes Bild! Die Schweiz (graue Grenzlinien innerhalb des roten Rechtecks) wird nördlich von einem grossen, beachtlichen Tornadorisikogebiet flankiert. Ebenfalls äusserst selten: eine erstaunlich gute und zutreffende Modellierung, wie wir nun rückblickend wissen. Ich habe die sonst braunen High-risk-Zonen beim Tornadoparameter rot eingefärbt, in denen am 13.05.2015 der Bonndorf-Tornado und der Tornado bei Augsburg erhebliche Schäden verursachten.

Bildlegende, Modellkarte Nr. 22, lightning wizard.com:

Tornado-Risikozonen: Hellblau (0,1) = Slight risk (schwaches, geringes Risiko), Gelb (0,25) = Enhanced risk (erhöhtes Risiko), Beige = Moderate risk (mittleres Risiko), Braun = High risk (hohes Risiko)

Rot (eigentlich braun) = Am 12.05.2012, 00z modellierte High risk-Zonen, in denen am 13.05.2015 tatsächlich ein F2- und ein F3-Tornado schwere Verwüstungen hinterliessen.

Schwarze Linien: Horizontale Windscherung in Knoten, in der Vertikalen von 0-6 km. Eingefärbte Bereiche: Horizontale Scherung in Knoten, in der Vertikalen von 0-1 km.

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Bild 15: Dieses seltene Bild hatte sich innerhalb von 24 Stunden in den wesentlichsten Tornadorisikozonen kaum verändert. Hier ist der 13.05.2015, 00z-Lauf, + 15 h = 13.03.2015 17 00 Uhr MESZ modelliert. Der westliche High-risk-Bereich wurde östlich erweitert, weshalb nun auch der F2-Tornado etwas westlich der Vogesen hier modelliert wurde (siehe Ausschnitt, Bild 16).

 

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Bild 16: Ausschnitt von Bild 15; sehr rar!!! Modellierung und Vorhersage von vier High-risk-Zonen für mögliche Tornados, zwei davon westlich der Vogesen, eine im Südscharzwald bei Bonndorf und eine bei Augsburg / München. In drei (hier rot markierten von vier High-risk-Zonen gab es am 13.05.2015 einen Tornado, der Kategorien F2 und F3!

 

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Bild 17: Der Superzellen-Parameter wies 7 Stufen auf, wobei sich die 6. Stufe über ein mehrere hundert Kilometer umfassendes Gebiet von Ostfrankreich, über den Südschwarzwald, bis nach Bayern erstreckte. (init 12.05.2015, 00z + 39 h = 13.05.2015, 15z);

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Bild 18: Ausschnitt von Bild 17, Superzellen-Parameter mit 7 Stufen. Bis zu 6 Stufen entlang der Schweizergrenze und eine kleine Zone in der Ostschweiz gerechnet.

Keraunos in Frankreich hatte am 11.05.2015 in ihrem Bulletin für den Mittwoch, 13.05.2015, bereits die Vorwarnstufe 2 vergeben, auf ihrer Webseite unter der Rubrik „Prévision à moyen terme“ (Vorhersage Mittelfrist) – immer sehr aufschlussreich.01-Warnkarte Keraunos

Bild 19: Keraunos gab für den Mittwoch, 13.05.2015, bereits die Vorwarnstufe 2 heraus und schrieb im Bulletin: „Isolierte Gewitter, doch manchmal stark…“ Dieses markante Gewitterrisiko betreffe vor allem den Jura und die Alpennordseite.

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Bild 20: Am Morgen des 13.05.2015 erhöhte im damals aktuellen Bulletin Keraunos auf die Vorwarnstufe 3 (von 4) und schrieb dazu: „Risque d’orages localement violents,…“ (Lokal heftige Gewitter).

Dieses Bulletin enthielt einen Satz, der meine besondere Aufmerksamkeit geweckt hatte: „… en altitude par une configuration progressivement plus diffluente en entrée droite d’une petite branche secondaire de courant-jet.“ Also der Höhenjet weist einen kleinen Nebenast, bzw. eine Verzweigung im Bereich des rechten Eingangs auf, in welcher in Bezug auf die Stellung zum Hauptast, diese sich zunehmend spreizt. Wie am 05.05.2015 kommen Tornados oft im sog. „left exit„-Bereich vor. Doch auch im „rigth entrance“ – Sektor des Höhenjets können solche entstehen. Im weiteren stand: „En deuxième partie d’après-midi et jusqu’en début de soirée, ces orages évolueront vers l’est pour gagner les Vosges puis l’Alsace. Ces orages pourront être localement violents, avec un risque de fortes chutes de grêle, de diamètre parfois supérieur à 5 cm, et des rafales de vent isolées mais susceptibles d’excéder ponctuellement 100 à 120 km/h. Une forte activité foudre accompagnera ces orages,…“ In der zweiten Hälfte des Nachmittags, anfangs des Abends, werden sich die Gewitter gegen Osten hin zunehmend entwickeln, wobei sie bis zu den Vogesen im Elsass vordringen. Diese Gewitter können gebietsweise sehr kräftig ausfallen, wobei ein starkes Risiko für Hagelschlag besteht, mit einer Korngrösse von manchmal über 5 cm und isolierte Windböen punktuell 100 – 120 km/h erreichen können. Diese Gewitter werden von einer starken Blitzaktivität begleitet…. Man findet zudem den Hinweis: „…de cisaillements profonds marqués (25 à 35 m/s),….“ und „… et d’une SRH 0-3 km > 300 m²/s² .“, d.h. markante Windscherungswerte und eine beachtliche SRH (Storm Relativ Helicity), wobei Werte > 240-250 m²/s² als untere Schwelle bei der Tornadogenese gelten. Doch im Bulletin stand nichts von „tornade“…..; für Keraunos eher ungewöhnlich, bei solchen Wetterlagen.

Das Bulletin von Estofex überraschte dann nicht, als es am 13.05.2015 kurz nach Mitternacht (00 29 Uhr MESZ) erschien.

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Bild 21: Über das Gebiet von Ostfrankreich, über Süddeutschland und Bayern, sowie Teilen Österreichs, wurde die Vorwarnstufe 2 von 3 ausgegeben. (Hinweis: z.Z. ist der Estofex-Server down; gültiger Link zur Quelle folgt).

Wäre nicht aufgrund der drei inzwischen bekannt gewordenen Tornadofälle in den Kategorien F2 und F3, bei den Vogesen, im Gebiet des südlichen Schwarzwaldes und in Bayern ein Level 3 angebracht gewesen?

Estofex schrieb (Ausschnitte): „A level 2 was issued for E France, N Switzerland, SW Germany and extreme NW Austria mainly for (very) large hail, severe wind gusts, tornadoes and to the lesser degree for excessive precipitation.“ Hier ist von Tornados die Rede und in der „Discussion“ wurden die Forecaster noch konkreter: „This should elevate tornado threat, which will be the highest over NW Switzerland, extreme E France and SW Germany. –  SRH values should also reach above 200 m2/s2, especially near the border of Switzerland, Germany and France. – Storms rapidly tracking east to southeast will likely grow upscale in the evening hours, possibly forming an MCS over S Germany as PV max crosses the region. MCS could easily reach SW Slovakia and central Hungary by Thursday morning.“

Siehe: Beitrag im Sturmforum

Die westliche Level 2-Zone bei Estofex ist in der Diagonale rd. 550 km lang und 200 km breit. Speziell in einem solchen Bereich, in dem eine enorm hohe Siedlungsdichte herrscht und um diese Zeit (15z = 17 00 Uhr MESZ) die Wege durch den Feierabendverkehr blockiert sind, ist es eine besondere Herausforderung sich optimal zu positionieren, zumal die Zellen besonders schnell unterwegs gewesen sind, was weiter oben schon einmal angesprochen wurde, worauf Estofex ebenfalls mit „rapidly tracking“ hingewiesen hatte. Sodann war es für mich unumgänglich, mich der Modelle zu bedienen, in welchen die Wetterdaten in 1-Stunden-Intervallen berechnet waren, weshalb ich die GFS-gestützten Modellkarten dieses Mal nur bei Lightning Wizard konsultierte.  Mein Fokus lag, wie so oft, auf Janek Zimmer’s WRF-ARW, aber dieses Mal auch vor allem auf dem  französischen WRF-NMM-Modell bei Keraunos. Um im Forecast zügig voranzukommen und um die örtliche, sowie zeitliche approximative Bestimmung der Entwicklung potentieller Gewitterzellen zu handhaben, bediene ich mich einiger, möglicherweise aus meteorologischer Sicht eher unorthodoxer „Tricks“. Vorwarnkarten, sowie Superzellenparameter eignen sich gut, um sich einen generellen Überblick zu verschaffen. Um ein erfolgreiches Chasing durchführen zu können, wähle ich während der Vorbereitungsphase einige Targets (Ziele) aus, die jeweils eine maximale Planquadratausdehnung von 15 x 15 km haben. Eine Annäherung an den möglichen Verlauf der Episode gelingt mir aber nur, wenn ich punktuell noch mehr in die Details gehe, beginnend mit einem der eher trägeren Faktoren, die ihren Teil zur Gewitterentwicklung beisteuern: dem Höhenjet auf 300 hPa, bzw. 250 hPa-Niveau.

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Bild 22: Die Höhenjet-Modellierung bei WRF-NMM. Im Vergleich zum vorangegangenen Termin um 16 z, hat die Windgeschwindigkeit um 17z auf rd. 200 km/h zugenommen, mit steigender Tendenz (init: 12.05.2015, 08z, valid: 13.05.2015, 17z.)

Beim WRF-NMM-Modell auf der Webseite von Keraunos (7 km-Gitter) kann man in 1-Stunden-Intervallen die Höhenwinde einsehen (Altitude, dynamique athmosphérique / Vent 250 hPa). Im Bereich der östlichen Krümmung der Isohypsen (1060), beginnt westlich der Vogesen eine durch die Gradientkraft bedingte Auslenkung der mittleren Isolinie nach Norden. Diese Einbuchtung bestand schon seit mehreren Stunden, von Westen her kommend über das französische Festland. Es handelte sich dabei um eine stehende Welle, um eine durch Phasenverschiebung erhöhten Geopotentials erzeugte Schwingung. An der nordöstlichen Flanke der Delle bei Belfort um 17z entsteht eine Verengung, welche die Ausbreitung der Höhenwinde begrenzt. Dies beschleunigt einerseits die Windgeschwindigkeit beidseits der Jetachse und erhöht den Druck beim rechten Eingang („right entrance“). Andererseits entsteht durch die genannte Auslenkung in der Bucht eine Höhendivergenz, welche im Vertikalschnitt betrachtet am Boden eine Konvergenzzone bildet. Knapp eine Stunde später, um ca. 19 55 Uhr, gab es westlich von Colmar, bei Gérardmer einen F2-Tornado (siehe Analyse bei Keraunos).

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Bild 23: Um ca. 19 55 Uhr MESZ fegte in Ostfrankreich bei Gérardmer ein F2-Tornado über die Vogesen

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Bild 24: Rd. 30 Minuten nachdem die Superzelle bei Gérardmer in den Vogesen einen Tornado produzierte, traf sie in Colmar und in Freiburg im Breisgau ein (Donnerradar_Zoomloop 20 25 Uhr – 20 55 Uhr). Der rosarote Extremniederschlagsbereich zeigt die Zonen an, in denen Hagel fiel.

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Youtube_Hagel in Freiburg im Breisgau süd – etwas grössere Kaliber

Youtube_Bilder der Superzelle bei Freiburg im Breisgau von Bernhard Oker

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Bild 25: Die Modelle vom 13.05.2015, 00z-Lauf. Der Super-Zellen-Parameter gab zwar „nur“ noch 4-5 Stufen im Rheingraben an (statt 7 Stufen, wie in den Vorläufen).

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Bild 26: Der GFS-gestützte Superzellenparameter bei Lightning Wizard. Von Bild 25 hier ein Ausschnitt (vt. 18z = 20 00  Uhr MESZ).

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Bild 27: Relative Vorticity Panel von WRF-ARW (Init: 11.05.2015, 15z + 49h = vt 13.05.2015, 16z). Signalpaarung bei Ostfrankreich deutet auf die approximative örtliche und zeitliche Entstehung von Gewitterzellen hin.

Die anspruchsvolle Aufgabe eines Sturmjägers, beim Chasen am richtigen Ort zur richtigen Zeit zu sein und zwar bevor die Gewitter entstehen, beinhaltet eine möglichst genaue Prognose. Idealerweise hat man den Spotterplatz als Zielort so gewählt, dass er eine sehr gute Fernsicht bietet und verkehrs- und kostengünstig erreicht werden kann. Mit zunehmender Verwendung der WRF-ARW-Modelle von Janek Zimmer entdeckte ich vor einigen Jahren, dass die „Paarungen“, wie ich sie nenne, der positiven und negativen Vorticity auf 300 hPa sehr viel Aufschluss darüber geben, wo und wann eine Gewitterzelle entsteht. Im Radarbild (Bild 28), sieht man, wie diese Übereinstimmung zu verstehen ist.

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Bild 28: Um 16z (= 18 00 Uhr MESZ) entstanden in Ostfrankreich die ersten starken Gewitterzellen (Quelle: Infoclimat)

Im folgenden Overview Panel sind vier unterschiedliche Parameter modelliert. Oben links die Basis-Radarreflektivität Z in Dezibel (db) angegeben, oben rechts die 2 Meter über Boden gemessene Lufttemperatur, unten links die in 10 Meter über Grund gemessene Windgeschwindigkeit in Knoten und unten rechts die Angaben der ML (Mixed Layer)-CAPE in der Einheit J/kg. Bei dieser Karte erkennt man aufgrund der hohen Radarreflektivität, ob eine Zelle konvektiv ist, oder nicht. Ab ca. 48-61 dbZ besitzt eine Zelle einen konvektiven Charakter. Dieser Schwellenwert ist hingegen nicht offiziell und fusst auf meiner persönlichen Erfahrung. Ein weiteres Indiz auf eine konvektive Entwicklung erkennt man in einem kleinen Detail beim MLCAPE-Modell, was meines Wissens sonst nirgends im Internet nachzulesen wäre. Die kleine, grüne und runde Stelle in Ostfrankreich mit rd. 500 J/kg MLCAPE, markiert den Ort, wo CAPE bereits in Bewegungsenergie umgewandelt wurde. Dort hat es auch abgekühlt und die fast zyklonale Struktur beim 10m-Wind verrät eine Bodenkonvergenz, die vertikale Bewegungen von Luftpaketen unterstützt, oft auch induziert.

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Bild 29: Over-View Panel bei WRF-ARW, in welchem vier wichtige Parameter angezeigt sind. Fast 3’000 J/kg MLCAPE bei Basel und im Rheingraben, im Bereich der Burgundischen Pforte, sind äusserst selten. Das massive CAPE-Angebot wurde erst zu einem kleinen Teil umgewandelt (grüner, runder Kreis in Ostfrankreich), wo sich gemäss Base-dbZ bereits zwei Gewitterzellen gebildet haben.

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Bild 30: Zwei Stunden später, um 18z (= 20 00 Uhr MESZ), erkennt man die Signatur eines Multizellenverbandes beim Relative Vorticity-Panel auf 300 hPa-Jetniveau.

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Bild 31: Die grösste Zelle in der Mitte dieses Clusters, bzw. Multizellenverbandes begann um 19 55 Uhr MESZ (local) einen Tornado der Kategorie F2 auszubilden, der zu dieser Zeit (20 00 Uhr) noch aktiv ist und den Vogesenhauptkamm überquert (s. auch weiter oben und Youtube-Link unten).

Youtube Tornado bei den Vogesen um ca. 20 00 Uhr MESZ

orages-13-mai-2015-supercellules-grele-rafales-de-vent-photo-15Bild 32: Sehr schöne Blitzaufnahme (Quelle: Infoclimat)

orages-13-mai-2015-supercellules-grele-rafales-de-vent-photo-16Bild 33: Imposanter Ausschnitt der obigen Blitzaufnahme (Bild 32).

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Bild 34: In der Modellierung (12.05.2015, 15z-Lauf, init: 13.05.2015, 18z) sind beim Base-dbZ-Parameter (Reflektivität) die Signale um 51-54 dbZ, also eindeutig konvektiv. Nur sind sie etwas zu östlich gerechnet. In der Realität erreichte die Superzelle erst um 20 45 Uhr MESZ bis 21 00 Uhr MESZ Freiburg im Breisgau.

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Bild 35: Wie weiter oben angesprochen, dass manchmal Karten des vorangegangenen Laufes zutreffender sind als im aktuellen Lauf, hätte in Bezug auf das Timing im Rheingraben die Modellierung vom Vorlauf am 11.05.2015, 15z, auf den Termin 13.05.2015, 18z etwas besser gepasst…..

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Bild 36: Die Radaranimation zeigt um ca. 20 55 Uhr eine sehr hohe Intensitätsstufe bei Freiburg im Breisgau. Dies bedeutete eine sehr hohe Niederschlagsrate und wie bereits erwähnt Hagel. Etwa um 21 30 Uhr bis 21 45 Uhr MESZ bildete sich über dem Südschwarzwald ein „Bow-Echo“, ein Bogen-Echo, wobei sich kurz vorher im Gipfelbereich des Feldberges ein Tornado bildete, der über eine Distanz von rd. 42 km Schäden verursachte und sich erst am Randen auflöste. Man sieht sehr deutlich, wie um 21 45 Uhr MESZ im Bereich des Randen bei Schaffhausen ein Zellsplit vollzogen wird, wobei der nördliche Teil in Richtung Osten den Überlingersee überquert und danach abstirbt. Der südliche Teil nimmt Kurs auf Konstanz / Kreuzlingen und zieht in Richtung OSO dem südlichen Bodenseeufer entlang, über Romanshorn und Bregenz (vgl. meine Vorhersage, weiter unten).

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Bild 37: Dieses Radarbild von 21 45 Uhr MESZ zeigt die Wettersituation und die Lage der der Zelle(n), als sich bei „x“ der Tornado auflöste. Nordöstlich und südwestlich von Fützen lassen sich zwei Starkniederschlagskerne erkennen. Beim Randen vollzog sich ein Zellsplit. Vgl. Kaikowetter Radaranimation / Post im Schweizer Sturmforum

Nochmals eine Rückblende um 24, bzw. 36 Stunden: Nach dem telefonischen Briefing mit Andreas Hostettler am Dienstagabend, ging ich alle bisher gewonnen Daten in der Nacht auf den Mittwoch, 12.-13 .05.2015, nochmals durch, mit dem Fokus auf die Modelle von WRF-NMM bei Keraunos, die ich mir am Dienstagmorgen zwischen 09 45 Uhr und 11 00 Uhr heruntergeladen hatte. 19 z (21 00 Uhr MESZ) schien als Zeitfenster für eine erfolgreiche Gewitter- und Tornadojagd im Bereich Vogesensüdfuss-Rheingraben, oder im Südschwarzwald ideal zu sein: Vertical Velocity Werte bei 700 hPa von > 180 hPa / h (= Maxima), Feuchtefluss und thermische Advektion, ebenfalls auf 700 hPa-Niveau mehr als ausreichend, Scherung von gegen 40 m/s (0-6 km), Niederschlagssummen von mehr als 40 mm/h, zwischen 19z und 20z.. Gegen 18z wurde ein sich bildendes (Gewitter-)Tiefdruckgebiet über der Nordschweiz, mit einem Kerndruck von ca. 1008 hPa und Taupunkte von 18° Grad Celsius modelliert, um hier nur ein paar positive Faktoren zu nennen.95-700 VV

Bild 38: (WRF-NMM, init: 12.05.2015, 08z, vt: 13.05.2015, 19z): Die vertikale Auftriebsgeschwindigkeit eines Luftpakets ist hier in hPa/h angegeben. Bei diesen Werten ist nicht die Frage, ob Gewitterzellen entstehen, sondern  wie heftig werden sie.

92-700 hpa thermik

Bild 39: (WRF-NMM, init: 12.05.2015, 08z, vt: 13.05.2015, 19z): Feuchtefluss und thermische Advektion in Kelvin gerechnet.

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Bild 40: (WRF-NMM, init: 12.05.2015, 08z, vt: 13.05.2015, 19z – 20z): RR-Maximum (Niederschlag) von mehr als 40 mm/h, zwischen Vogesensüdfuss, Südschwarzwald und dem Randen bei Schaffhausen.

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Bild 41: (WRF-ARW, init: 11.05.2015, 12z, vt: 13.05.2015, 18z / 12 km-Gitter): Beim „L“ (Low) über der Nordschweiz ist ein lokales Tiefdruckgebiet im Aufbau begriffen, das später sich vergrössern und nach Osten ziehen wird.

 

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Bild 42: (WRF-ARW, init: 11.05.2015, 12z, vt: 13.05.2015, 18z / 12 km-Gitter): Hohe Taupunkte um 18° Grad Celsius zeugen von viel Energie in der Atmosphäre.

 

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Bild 42: (WRF-ARW, init: 11.05.2015, 15z, vt: 13.05.2015, 18z / 4 km-Gitter): Radarreflektivität bis zum Anschlag von 69 dbZ !

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Bild 43: (WRF-ARW, init: 12.05.2015, 15z, vt: 13.05.2015, 18z / 4 km-Gitter): Ein brandneues Tool bei WRF-ARW! Janek Zimmer hat ein sehr interessantes Modell zum Testen ins Netz gestellt. Eigentlich ist es eine Art SRH-Parameter (Storm Relativ Helicity), wobei die eingefärbten „Säulen“ die Auftriebsgeschwindigkeit einzelner Zellen angeben, was wiederum eine Verwandtschaft zum Tool „Vertical Velocity 700 hPa“ darstellt.

Bernhard Oker postete die SMR-Karte (Bild 42) bereits am 11.05.2015 ins Forum und Benni die neue Karte MUV (Bild 43) kurz nach Mitternacht, am 13.05.2015 (Post im Sturmforum). Die „Simulated maximum reflectivity“-Karte benutzen inzwischen viele und die Erfahrung zeigt, dass die prognostizierten Zellen erstaunlich akkurat simuliert werden. Entlang der Voralpen gibt er oft zu wenig an und bei LP-Superzellen naturgemäss auch, weil sie eben wenig Niederschlag (= low precipitation) produzieren, im Vergleich zu den HP-Superzellen (= high precipitation). Der Dezibel-Wert „db“ der Radarreflektivität „Z“ ist abhängig von der Menge und Dichte des Niederschlags. Das nicht nur brandneue, sondern auch „brandheisse“ „Maximum Updraft Velocity“-Modell ist zwar noch in der Testphase, hat sich aber in diesem Fall vom 13.05.2015 sehr gut bewährt. Dieser Versuch die Helizität mit der Auftriebsgeschwindigkeit in einer dreidimensionalen Form darzustellen, ist meines Wissens ein Novum. Dieses Tool ist jedenfalls äusserst nützlich; danke Janek!

Diesen Teil 1 der Analyse möchte ich mit einem Zitat aus meinem Beitrag im Sturmforum, vom 13.05.2015, 03 10 Uhr MESZ beschliessen, bevor im Teil 2 das Hauptaugenmerk auf den Tornado im Südschwarzwald gerichtet ist: „Ich glaube, dass die Vogesenzelle(n) morgen Abend, unter Beeinflussung der Burgundischen Pforte dem Hochrhein in Richtung Osten entlang schrammen. Aufgrund der derzeitigen Kartenlage gehe ich von einem Zellsplit im Bereich des Randen aus, wobei ein Rightmover (südlicher Zellteil) in die Schweiz und in die südwestliche Bodenseeregion abdriftet. Ob sie danach in Richtung Bregenz, oder doch in die Linthebene unterwegs ist, wird sich im Nowcasting-Zeitfenster herausstellen.
Jedenfalls bin ich mit Chris einig, dass dieser West-Ost-TGV“ aus Frankreich irgendwo und irgendwann das vollständige Reifestadium erreicht haben wird und aus der hochbasigen Gewitterwolke sich die Schleusen öffnen.“

Wann und wie dieser Zellsplit am Randen tatsächlich eintrat und wo während den unmittelbar vorangegangenen rd. 45 Minuten der Bonndorf-Tornado seinen Weg bahnte, ist in Teil 2 und 3 der Analyse nachzulesen.

 

 

 


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