Xtreme Weather Tours Blog

Strömungswolken / Lee- und Schwerewellen

Wenn sich Lenticularis & Co. von der schönsten Seite zeigen

Gepostet von Cyrill Steiger am 30. Oktober 2017

Kelvin-Helmholtz Wellen im Morgenlicht. Seit März 2017 werden sie neu auch als „fluctus“ bezeichnet, wie sie in Form von Wolkenunterarten bei Ac, Sc, Status, Cumulus und sogar Cirrus vorkommen soll. Im Bild Stratocumulus fluctus (s. Quelle weiter unten)

„Föhnfische“ werden sie im Volksmund genannt, diese linsenförmigen Wolken, die bei Föhn am Himmel sichtbar werden und manchmal tatsächlich wie weisse, aus tiefblauem Meer springende Delphine aussehen. Der Phantasie ist ja keine Grenze gesetzt, weshalb hier diesem Ausdruck Geltung verschafft sei, auch wenn Meteorologen natürlich die genaue Wolkenbezeichnung Lenticularis viel lieber sehen. Dies ist umso verständlicher, denn es gibt diese Art in verschiedenen Formen und Unterarten, die alle zur Familie der Lee-, oder auch Schwerewellen gehören, wie sie aus physikalischer Sicht genau bezeichnet werden. Manche sehen ja aus wie riesige Ufo’s, was in den USA angeblich schon dazu geführt haben soll, dass verängstigte Bürger der Polizei angerufen haben, um die Sichtung zu melden. Nein, da steigen keine grünen Männchen aus den oft über Berggipfeln fast glockenförmig erscheinenden Gebilden. So mysteriös und übernatürlich sie auch aussehen mögen; sie sind für die Wissenschaft kein Geheimnis mehr, wenn auch von einer Wolkenart, die zu dieser Familie der Schwerewellen gehört, noch nicht alle offenen Fragen geklärt sein dürften. Es handelt sich um die Kelvin-Helmholtz-Wellen, welche sehr selten auftreten und ich faszinierend finde.

Eine der wichtigsten Voraussetzung für die Entstehung von Leewellen ist eine starke Luftströmung, die quer zu der ihr im Wege stehenden orographischen Erhebung verläuft. Demzufolge kommt es auf der Luv-, oder Anströmseite zu einem Staueffekt und nach dem Überströmvorgang am erwähnten Hindernis wieder zu einer Verbreiterung der im Lee (der dem Zustrom abgewandten Seite) wieder absinkenden Luftschichten. Der Föhn ist also ein Fallwind, der sich in tieferen Regionen als kräftigen, teils böigen und sturmartigen, trockenen Luftstrom zeigt, wobei er für ein markantes Ansteigen der Temperaturen in den längs dazu liegenden Föhntälern im Alpenraum verantwortlich ist. Auch die Bora in Slowenien und Kroatien ist im Grunde ein Föhneffekt, mit dem Unterschied, dass im Lee die Luft nicht erwärmt wird. Durch den Überströmvorgang wird der Luftstrom in eine Wellenform gezwungen, an dessen Scheitelpunkt die Bedingungen zur Kondensation innerhalb der feuchten Schicht gegeben sind und dort Lenticularis (lat. lentis = Linsen) entstehen. Sind in diesem Luftstrom nun mehrere, voneinander getrennte, feuchte Schichten vorhanden, kommt es zu mehrstöckigen Lenticularisstrukturen, die faszinierend wirken – je grösser sie sind. Trotz starker Luftströmungen, bleiben Lenticularis demnach ortsfest, was ihnen unter den Wolkenarten, ihrer Entstehung gemäss, eine Sonderstellung einbringt.

Man unterscheidet in der Regel zwischen dem Nordföhn und dem Südföhn, wobei die Angabe der Himmelsrichtung die Luvseite bedeutet, wenn die Grosswetterlage über Europa den Strömungsverlauf bestimmt. Ein Druckgefälle von mehreren hPa quer zum Alpenkamm ist der Strömungsantrieb und je steiler der Druckgradient ist, desto stärker ist der Wind. Jahreszeitlich gibt es da keine Einschränkungen. Im Winter sind die Inversionslagen eher ausgeprägter, welche mit diesem Wetterphänomen einher gehen, wobei aber gerade in den Föhntälern der Bodennebel vertrieben wird und die sehr trockene Luft dazu führt, vom leeseitigen Standort aus bis weit in die Berge blicken zu können und zwar deutlich besser, als bei anderen Wetterlagen. In diesem Fall handelt es sich um Altocumulus lenticularis, wenn sich in der Ferne „Föhnfischchen“ zeigen. Eher selten sind demgegenüber Stratocumulus lenticularis. Ihre Ursache und Entstehung ist zwar mit den Altocumulus lenticularis vergleichbar, weshalb sie in die Familie der Schwerewellen gehören, aber sie treten im Verbund mit stratiformen, teils dichten Wolkenstrukturen auf, wodurch auch vereinzelte Zellen in sie eingebaut sein können, die sich punktuell, oder strichweise ausregnen. Dabei kann ein Frontensystem von Westen her involviert sein, mit sturmartigen Winden. Der Jurakamm und andere quer zur Strömung liegende Berg- und Hügelketten erbringen dann den Effekt, doch auch ausgedehnte Kaltluftseen und andere träge, bodennahe und vor allem feuchte Luftschichten können Hindernisse für die darüber hinweg streichende, schnellere Strömung darstellen, was zu Verwirbelungen führt. Durch die unterschiedliche Geschwindigkeitsverteilung ist das Profil über der Grenzschicht laminarer als darunter, wobei es dort zu Störungen kommt, die bei Kelvin-Helmholtz-Wellen als eine ihrer Ursachen gelten darf.

Es gibt also auch Westföhn-Lagen, wie am 18.09.2013 (siehe Beitrag im Schweizer Sturmforum > Link):

Westföhn

Ich begab mich an diesem Tag auf eine Chasingtour, welche ich tags darauf im Schweizer Sturmforum beschrieb:

Chasingtour Cyrill Steiger

Nachdem sich das stratiforme Gewölk etwas gelichtet hatte, sah ich in der etwas höheren Luftschicht plötzlich sehr faszinierende Lenticularis, die ortsfest sich ausbreitete, während die übrigen stratiformen Wolkengruppen mit dem starken Westwind nach Osten getragen wurden:

Die Niederschlagszellen wanderten mit einer Geschwindigkeit von rd. 80-88 km/h nach Osten. Hier ein Bild von der Rückseite. Blick von Wittenwil in Richtung Osten

Donnerradar-Zoomloop, am 18.09.2013, von 15:05 – 15:35 Uhr MESZ. In dieser halben Stunde legte eine Starkniederschlagszelle, die bei Bülach entstand, die rd. 42 km bis Weinfelden zurück!

Vor Jahren hatte ich einmal Kelvin-Helmholtz-Wellen kurz vor Zürich gesehen, als ich leider keine Möglichkeit fand mit dem Auto an den Strassenrand zu fahren, anzuhalten und Fotos zu machen und ich nach dem Milchbucktunnel, der mir zusätzlich die Sicht nahm, nichts mehr davon am Himmel erkennen konnte. Natürlich ärgerlich, denn diese sind so selten zu beobachten. Da hatten bisher andere mehr Glück:

Dieses Phänomen der Kelvin-Helmholtz-Wellen tritt auf, wenn zwei übereinander liegende Luftschichten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Richtungen verwirbeln (s. Link)

Osthessen-News vom 15.01.2015: „Wer surft denn da am Himmel?“

Die so genannten Kelvin-Helmholtz-Wellen sind nach dem britischen Physiker, Mathematiker und Ingenieur Lord Kelvin (1824-1907) und dem deutschen Mediziner, Physiker und Mathematiker Hermann von Helmholtz (1821-1894) benannt.

Fichtelbergwetter: Bildergalerie von Kelvin-Helmholtz-Wellen

Wetteran: Kelvin-Helmholtz-Wellen während Westföhn am 04.02.2011

Im oberen Link sind ein paar Beispiele von Kelvin-Helmholtz-Wellen beschrieben, während die eine Situation eine Westföhn-Lage am Alpenostrand bei Wien zeigt.

Gemäss international gültigem Wolkenatlas heissen sie neu „fluctus“:

Internationaler Wolkenatlas

Spektakuläre, mehrstöckige Altocumulus Lenticularis Duplicatus in den USA

Redbull Weatherprediction: 7 Wolkenarten und was man daraus lesen kann

Altocumulus als Wolkenart, u.a. mit der Unterart lenticularis

Olav Kroessner (flickr): Altocumulus Lenticularis Duplicatus in der österreichischen Steiermark

Lenticularis in Österreich

Mehrstöckige Föhnlinse über der Jungfrau im Berner Oberland. Foto: Joel Baur

21.06.2016: Linsenförmige Wolken über der Jungfrauregion (srf.ch)

Noch während ich diesen Beitrag schrieb, haben sich gestern Abend, vor wenigen Stunden im Tessin durch den Nordföhn ausgedehnte Felder von Altocumulus Lenticularis gebildet, was SRF mit „Das Tessin errötet“ titelt.

https://www.srf.ch/meteo/meteo-news/das-tessin-erroetet

Einfach unglaublich! Zauberhafte Bilder von Lenticularis, wie ich sie in dieser Art noch nie zuvor gesehen habe! Ich lasse einfach die Bilder sprechen:

Cugnasco Marco Delucchi

Cugliate Fabiasco Marco Schönenberger

Lugano Albert Hellmann

Lago die Lugano Karin Birbaum

Am 21.02.2016 gelangen mir (nach Kroatien im Jahr 2011) von meinem Spotterplatz auf dem Sonnenbühl aus meine ersten sehr schönen Aufnahmen von Altocumulus Lenticularis Duplicatus (Bilder unten)

Herrlicher Blick bei Föhn in die Schweizer Alpen vom Sonnenbühl bei Winterthur) aus. Über den südöstlichen Berggipfeln bildeten sich Altocumulus Lenticularis Duplicatus

Mehrstöckige Altocumulus Lenticularis Duplicatus bildeten sich über dem Schweizer Alpenkamm, die von meinem Spotterplatz aus sehr gut zu sehen waren.

ENDE

 


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