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Uieä es chunt seit de Bär !!!

50 Jahre Stormchasing – Rückblende zu den „Anfängen“… Juni 1967

Gepostet von Cyrill Steiger am 19. April 2017

Im Verlauf der meisten Interviews für Print- und andere Kommunikationsmedien werde ich irgend wann einmal gefragt, nachdem feststeht, dass diese nicht alltägliche Tätigkeit des Sturmjägers ein wenig mit „Verrücktheit“ zu tun haben müsse: „Wann Herr Steiger hat diese Faszination für Gewitter bei Ihnen angefangen? Wie kamen Sie auf diese Idee Blitze zu jagen?“ Um eine möglichst authentische Kurzgeschichte zu erzählen, greife ich in meinen Antworten oft die eine oder andere Situation aus der frühesten Kindheit auf, wobei nur ein Hauch jener Leidenschaft vermittelt werden kann, die seit Jahrzehnten mich begleitet. Das parallel nebeneinander existierende Gefühl und dessen Eingeständnis von gleichzeitiger Furcht und Faszination, sowohl bei Stürmen, als auch bei Gewittern, ist meistens an ein bestimmtes, frühes Erlebnis gekoppelt. Sodann erinnere ich mich an einen extremen Sturm am Bodensee, als ich mit meinem Vater und meinem besten Freund (der noch dazu krank in der Kajüte lag) bei Windstärke 12 versuchte, mit einer Segelyacht eine im Lee geschützte Bucht in der Nähe des Westufers aufzusuchen. Selbst im ohrenbetäubenden Getöse und in der vom Wind gepeitschten Gischt konnte man das Knackgeräusch der Masten der anderen in Seenot geratenen Segler hören und schemenhaft wahrnehmen, wie sie verzweifelt versuchten ihre Boote vor dem Untergang zu retten. Wir erreichten die Bucht ohne Schaden. Ich war damals 11 Jahre alt (1971).

Meine verstorbene Mutter hat vor einigen Jahren mir zwei, drei Kisten hinterlassen, in denen dutzende von Kinderzeichnungen von mir aufbewahrt waren. Kürzlich hatte ich diese mal gesichtet und dabei kam ein regelrechter „Schatz“ ans Tageslicht: 1967 (also mit sieben Jahren, bzw. im Vorschulalter, als ich mir selbst schon ein wenig Lesen und Schreiben beibrachte) schrieb und malte ich eine Kurzgeschichte über einen Bär (mit dem ich mich als Kind identifizierte), der in ein bedrohliches Gewitter gerät. „Uieä es chunt seit de Bär“ steht als Legende unter dem unten stehenden Bild:

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(dt. „Oh je, es kommt, sagt der Bär“.)

Ein Bild weiter: „Er hät Herzchlopfe. Es rägnet schurig. Uiä!“ Ein Blitz zuckt zur Erde.

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(dt. „Er hat Herzklopfen. Es regnet schauderhaft. Oh je!“

Doch zwei Szenen weiter ist die Angst plötzlich verschwunden: „Er hate nicht mer Angscht. Er räuchte Pfifen.“

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(dt. „Er hatte keine Angst mehr. Er rauchte Pfeife“.)

Natürlich ist das Pfeifen rauchen ein Symbol für Entspannung und steht für „inneren Frieden“, sowie eine emotionale Beruhigung (bei den Indianern: „Die Friedenspfeife rauchen“). Die Furcht wandelt sich doch noch in Faszination: „Ich wil sum Fenzter hinaus gugen“:

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(dt. „Ich will zum Fenster hinaus gucken“.)

Der Sturmjäger ist geboren! Doch ich setzte der Geschichte noch die Krone auf: „Er dreumt fo Gold und s Gwiter isch fer bi“

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(dt. „Er träumt von Gold und das Gewitter ist vorbei.“)

Was auch immer in der Traum-Gedankenblase zu sehen ist; für mich ist es eine rote Schatzkiste voller Gold. Daneben steht der Bär. Das Fenster ist nun geteilt, also nicht mehr offen, sondern geschlossen. Sichtbar durch die Trennlinie, durch den Rahmen der beiden Flügel. Es macht den Anschein, als sei dies mein erster Chasingbericht, der vermutlich auf einem nicht sehr lange zurückliegenden Ereignis beruht.

In der Reanalyse von GFS-Daten, erkennt man anfangs Juni 1967 einen weit nach Osten vorstossenden Hochdruckkeil von bis zu 1030 hPa, wobei die Schweiz exakt unter der Keilachse zu liegen kam.

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Bei wechselnder Bewölkung klettert das Thermometer immerhin auf sommerliche 24° Grad Celsius. Doch um den 11. / 12.06.1967 herum sanken die Temperaturen (Messpunkt Stuttgart, siehe Link) bis auf Tageshöchstwerte von 12° Grad. Schuld daran war ein weit nach Süden ausgreifendes „Cut-off-Low, womit polare Kaltluft nach Mitteleuropa fliessen konnte. Trübes, kaltes, regnerisches Wetter war die Folge. (siehe Wetterchronik Juni 1967 Stuttgart )

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Der Sommer kehrte erst um den 23. / 24.06.1967 wieder zurück, mit mehr als 32° Grad Celsius.  Das hohe Geopotential von Marokko nach Mitteleuropa weist auf eine sehr trockene, aus mediterranem Gebiet herbeiströmende Luftmasse  (mit Saharastaub?) hin.

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Dazu passend ein Blatt in meiner Bärengeschichte, auf dem eine strahlende Sonne und ein Pool mit Wasser abgebildet ist:

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Der schon in der oben abgebildeten Bodendruckkarte angedeutete Höhentrog bei Island, hatte sich gegen Osten verlagert und sich zu einem Kaltlufttropfen eingeschnürt. Die Schweiz lag ab 12z ideal auf der Trogvorderseite (schwarze Höhenlinien oberhalb 500 hPa), während ein Ausläufer des Tiefs (weisse Linie 1015 hPa) vor Irland bis ins Saarland vorstiess und auf eine Distanz von rd. 250 km ein Druckgefälle von 5 hPa, in Bezug auf den Rand der Hochdruckzone (weisse Linie 1020 hPa) entlang des Alpenhauptkamms, verursachte. Innerhalb dieser Verengung wirkt die vertikale Gradientkraft sich positiv auf die Beschleunigung des geostrophischen Windes aus, welcher entlang der Welle am östlichsten Rand des Höhentroges, bzw. Kaltlufttropfens gesteuert wird. In dieser schmalen Rinne bilden sich in der Regel kleine Tiefdruckinseln, welche wetterwirksam werden. Man müsste aber für eine glaubwürdige synoptische Übersicht detailreicheres Kartenmaterial besitzen. Im Voralpenraum führen vergleichbare Situationen meistens zu heftigen, wenn auch kurzlebigen Gewitterzellen, die durch die Orografie zusätzlich Unterstützung durch dynamische Hebung erfahren.

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Tatsächlich fand ich im Internet einen Hinweis auf ein heftiges Gewitter in der Region Cham / Zug, wonach eine Veranstaltung unterbrochen werden musste Link anklicken und auf der Webseite das Datum suchen, oder ins Suchfeld den Begriff „Gewitter“ eingeben:

Gewitter 25.06.1967

Entweder entstand die Bärengeschichte also um dieses Datum herum, oder aus der Erinnerung an ein zurückliegendes Ereignis. Dies ist nicht zweifelsfrei belegbar.

Nachweisbar sind hingegen meine ersten, frühkindlichen und investigativen Bemühungen, Gewitter und deren Entstehungsprozesse zu erklären: „Es ist Abend. Der Bliz und der Tuner warten bis di negsten Gwiter gombt!“

DSC_0316 (2) (dt. „Es ist Abend. Der Blitz und der Donner warten, bis die nächsten Gewitter kommen.“)

Der reinen Ordnung halber…; hier der Hinweis: „Di Geschichte ist fertig.“

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